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http://blog.neunmalsechs.de/2015/11/02/georg-buechner-per-denkmal-entsorgen/
Der (Nicht-ganz-)Darmstädter (nicht-)Historiker S. Peter Brunner (Update 10.1.2016 – siehe seinen Kommentar) deckt in seinem Blog Neues aus Buechnerland einen Skandal auf: Für den hessischen Provinz-Dichter Ernst Elias Niebergall (1815 – 1843) gibt es in Darmstadt inzwischen drei Denkmäler. Für den weltweit geachteten und gespielten Literaten (und Revoluzzer) Georg Büchner dagegen kein einziges.
Soeben hat man in Darmstadt ein weiteres Denkmal für Niebergall enthüllt. Professor Thomas Duttenhöfer hat eine lebensgroße Plastik geschaffen, die wohl eher Datterich als Niebergall darstellt – es ist Darmstädter Allgemeingut, dass Niebergall als einigermaßen verkrachte Existenz selbst durchaus zu Recht in seiner Figur erkannt wird. […]
„Liebe Frooinde“, wie Datterich sagen würde, „en Momend emol“: von mir aus kann für Niebergall, dem bereits mit dem „Niebergall-Brunnen“ von 1930 und einer Datterich-„Installation“, die heute kein Brunnen mehr ist, gedacht wird, noch ein viertes und ein fünftes Denkmal aufgestellt werden […] da halte ich es wie mit dem Fußballstadion – Mehrheiten wollen bedient werden. […]
Georg Büchners Gedenken überfordert dagegen wohl seine kleine Stadt.
Welch eine Überraschung! Da muss man dringend etwas gegen tun! Fordert Brunner:
[…] so lange nicht Georg Büchner auf dem schönsten Denkmal Darmstadts steht – so lange kann Georg Büchners Anerkennung nicht als gesichert gelten.
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Fotos: Carsten Buchholz
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#1 by peter brunner on 2. November 2015 - 12:07
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Danke für die aufmerksame Lektüre, aber ich werde schon lieber vollständig zitiert. Meine Bemerkungen über das Verhältnis von Büchner zu Niebergall enden so:
„Es geht nicht darum, das nächste runde Jubiläum abzuwarten, um endlich Georg Büchner Anerkennung zu zollen. Stattdessen kann das nur geschehen, wenn diejenigen, die er bis heute berührt, denjenigen, die über die nötigen Mittel und Wege verfügen, unmissverständlich auf die Sprünge helfen: So lange ein hessischer Wissenschaftsminister öffentlich auftreten kann, ohne dass ihm die Versäumnisse um Büchnerforschung und Gedenken um die Ohren gehauen werden, so lange eine Landesregierung von Kulturförderung reden kann, ohne dass ihr die Lage von Büchners Forschungsstelle und von seinem Geburtshaus entgegengehalten wird, so lange ein Kunstwerk wie die freie Büchnerbühne in Riedstadt nur durch grenzenlose Selbstausbeutung der Künstler und unter prekärsten Umständen bestehen kann, so lange nicht Georg Büchner auf dem schönsten Denkmal Darmstadts steht – so lange kann Georg Büchners Anerkennung nicht als gesichert gelten. Jede Schauspielerin, jede Regisseurin, jede Autorin, jede Germanistin, jede Ärztin, jede Biologin und nicht zuletzt jede halbwegs republikanische Politikerin, die in ihrem Leben je erkannt hat, was Georg Büchner ihr zu bieten hat (und alle Männer in den genannten Tätigkeiten dürfen sich mit gemeint verstehen), ist aufgerufen, Georg Büchner ein Denkmal zu setzen. In Gedanken, Worten und Taten.“
„Denkmal“ verstehe ich also ganz unmißverständlich als „Memento“, das sich nicht auf Stein und Skulptur beschränken muss.
Und weiter oben schildere ich, weswegen und wie auch andere Familienmitglieder ein Denkmal verdienen: „Ein Gruppendenkmal für die ganze Familie auf dem Ludwigsplatz, anstelle des von den Büchners nicht besonders geschätzten Bismarck, das hätte was.“
Ich habe mich an verschiedenen Orten bereits damit aus dem Fenster gehängt, dass Strassennamen und Denkmale in Darmstadt verändert oder abgeschafft werden sollten; ich halte „Hindenburgstrasse“ noch immer für eine Schande für Darmstadt, Bismarck in Darmstadt für nicht besonders denkmalwürdig. Unglaublich aber ist, dass auf dem „Friedensplatz“ ein Denkmal des Darnstädter Fürsten steht, dessen größte Tat die Hochzeit mit einer modernen jungen Frau war, während an das nachgerade welthistorische Ereignis der Deutschen Revolution, in der an genau diesem Platz die Darmstädter Aristokratie in Rente geschickt wurde und die hessische Republik ausgerufen wurde, nicht erinnert wird. Der „Lange Ludwig“ dagegen ist ja immerhin auch das Denkmal der Verfassung von 1820, und schon ein paar Sätze auf dem Sockel könnten das deutlicher machen, als es heute ist.
Zu Denkmalen habe ich also ein durchaus mehrdimensionales Verhältnis. Was ein Georg-Büchner-Denkmal angeht, wünsche ich mir eine wirklich internationale Manifestation; eine erneute Krähwinkel-Debatte in Darmstadt kann das nicht erreichen.
Aber ein Luise-Büchner-Denkmal, das kriegen wir bis 2017 hin. Und dann sehen wir weiter.
#2 by Carsten on 3. November 2015 - 18:40
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Habe das verkürzte Zitat gewählt, um mich auf das Thema konzeptlose „Denkmal Gesamtlandschaft“ zu konzentrieren.
Welche konkrete (Nicht-)Form ein solches Memento zur beruhigung der Büchnerfreund annimmt, ist mir eigentlich gleich gleichgültig.
Darmstadt sendet mit seinen Denkmälern eine Botschaft. Und die sollte bewußt gestaltet werden – möglichst nicht von Parteien (dann krachts nur wieder) und idealerweise im weitgehenden Konsenz.
#3 by Jörg Bergmann on 3. November 2015 - 19:25
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Vom städtischen Kulturreferent Prof. Dr. Ludger Hünneckens habe folgende drei Kriterien für das Aufstellen eines Denkmals genannt bekommen:
1.) Einen historischen Bezug – für G.B. wäre dieser vorhanden.
2.) Der Bürgerwille sollte vorhanden sein – das wäre zu belegen (ist für andere Denkmäler jedoch nicht erfolgt, auch für Niebergall nicht. D.h. es besteht nur die Annahme, dass die Bürger das wollen – mehr nicht. Der Magistrat beansprucht derzeit, den Bürgerwillen zu vertreten. Das ist jedoch dem Parlament vorbehalten.)
3.) Der Standort – für G.B. völlig unklar (bei der „Brezel-Resi“ vergleichsweise ist dieser so gut wie geklärt – vor dem ADAC am Marktplatz natürlich. Ein Standort-Tausch, gegebenenfalls auch ein Abriss anderer Denkmaler für ein neues, anderes Denkmal, was nach der Tagespolitik opportun erscheinen mag, halte ich für absurd kurzfristig gedacht. Aber da kann man anderer Meinung sein. Daher wäre diese Diskussion in einer Stadt wie Darmstadt, die mit dem soziologischen Charakteristikum „Lethargie“ ausgezeichnet wurde, siehe auch: Martina Löw (TU Darmstadt): „Soziologie der Städte“, unendlich zu führen.) Herzliche Grüße, Dipl.-Ing. Jörg Bergmann
#4 by peter brunner on 4. November 2015 - 12:20
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Noch ein paar Bemerkungen:
– Ich bin weder Historiker noch Darmstädter
– „Denkmal“ beschreibt vielerlei. Mal zwei Beispiele, zufällig (?) beide aus München:
http://www.literaturhaus-muenchen.de/oskar-maria-graf-denkmal.html
und
http://drhelgawaess.blogspot.de/2015/07/michael-jackson-orlando-di-lasso.html
(dass wir so was in der „Büchnerbiennale“ mit dem Bismarck-Brunnen nicht geschaft haben, tut mir bis heute leid)
Jörg Bergmann, danke für die Recherche. So gesehen müsen wir ja fast fürchten, dass irgendwann irgendein beliebiges Georg-Büchner-Denkmal entsteht.